Wie agil führt es sich in Turnschuhen oder was macht Beidhändigkeit wirklich aus?
Prof. Dr. Dennis Lotter
Das mache ich doch mit Links! Links oder Rechts? Keine Frage der politischen Einstellung, wenn es um die manuelle Präferenz geht. Eine besondere Intelligenz vermutet die Wissenschaft in Menschen, die beide Hände gleich funktionsfähig einsetzen können. Man sollte Klavier spielen können – das schult die Beidhändigkeit immens. Aber was hat Ambidextrie – also die Beidhändigkeitin der Wirtschaft zu suchen? Und was haben Turnschuhe in Führungsetagen zu schaffen?
Ist der Sneaker das Symbol für eine neue, agile Führungskultur?
Die deutsche Unternehmenswelt wird bunter: Daimler-Chef Dieter Zetsche führte sein Unternehmen in Jeans und Turnschuhen in eine unerwartete Erfolgswelle, als er dem Schlachtschiff der deutschen Wirtschaft eine stringente Zukunftsfähigkeit verordnete. Telekom-Mitarbeiter gehen auf magenta-farbigen Sneakersohlen durchs Leben. Die für ihre strenge Kleiderordnung bekannte Lufthansa ruft den „Sneaker’s Day“ aus und registriert befriedigt, dass ihre streng limitierten Adidas-Treter bei Fashonistas reißenden Absatz finden. Mit dem Emblem der Münchner Verkehrsbetriebe gewinnt der hauseigene Laufschuh Kunden, weil er gleichzeitig als Jahreskarte dient. Wir beobachten prä-digitale Generationen dabei, wie sie sich mithilfe der Gepflogenheiten und Denkweisen der digitalen Natives zu einer gewandelten Unternehmenskultur bekennen, die per se auf rationalen und stabilisierenden internen Veränderungen basiert.
Doch welchen Impact hat der Turnschuh-Turnaround und der dauerhafte Casual-Friday-Habitus auf Führungsstil und Unternehmenskultur?
Wenn sich Transformation auf äußere Veränderungen beschränkt, gerät der Impact zu vordergründiger Kosmetik. Jedem reflektierenden Menschen ist klar, dass noch so hippe Sneaker keine zukunftssichernde Führungskultur respektive eine Philosophie der begleiteten Selbstorganisation erfolgreich in Unternehmensmodelle zu implementieren vermögen. Leader benötigen heute weit mehr als den Mut, die Schuhmarke zu wechseln. Wenn Führungspersönlichkeiten das Mantra von selbstbestimmter Arbeit und Agilität pflegen ohne selbst mitzuwirken, bleibt bestenfalls alles beim Alten, es verschlechtert sich sogar. Denn jetzt trifft ein emanzipiertes Team auf altbekannte Führung getarnt in neuen Buzzwords. Die Folgen: Frust. Resignation. Leerlauf. Führungskräfte sollten nicht ihre modischen Gewohnheitenändern, sondern tunlichst die Erkenntnis zulassen, dass ihre Arbeitszeit nur noch zu 40% mit Sachfragen gefüllt sein darf. Der Rest ist – Führung, Motivation, Bewegen, Lotsen, Leiten und vor allem Delegation!
Sneaker zu tragen und alles beim Alten zu lassen mutet hilflos an.